Eine kurze Geschichte

rlx - 11. Oktober 2004

Es war ein mal ein Mann, der ein kleines schönes Haus in einer großen Stadt geerbt hat. Der Mann war ein Künstler, ein Musiker, dem die ganze Hausverwaltung absolut neu und fremd war. Er war neu in diesem Haus und unfähig für sich selber zu kochen, das Haus in Ordnung, sauber und repariert zu halten. Er stellte sehr bald heraus, daß jeder seiner Nachbar, der auch so ein Haus besaß einen Butler hatte, welcher ihm half in diesem Haus zurechtzukommen und das Haus in Ordnung zu halten. So hat auch dieser Mann es getan. Er stellte einen Butler an.

Es gab natürlich Anfangsschwierigkeiten, weil der Butler nur die grundlegenden Fähigkeiten besaß, die einem sehr einfachem Haus entsprachen. Dann hat aber der Butler angefangen seine Fähigkeiten auch bei den Nachbarbutlern zu lernen, ihre Tätigkeiten genau nachzumachen, weil nur so war es in dieser Stadt vorgeschrieben die Hausordnung optimal zu halten. Schon bald stellte der Musiker heraus, daß seine Freiheit immer stärker eingegrenzt wurde. Egal was er machen wollte, der Butler hat sofort jede seine Tat nach dem öffentlichem Bild analysiert und für schlecht oder gut befunden. Der Mann dürfte ab sofort nur die guten Sachen machen, die zum erfolgreichen Bestehen des Hauses führen.

Eines Abends z.B. wollte der Musiker seine alten Verwandten und Bekannten besuchen gehen. An der Tür stand sein Butler und ließ ihn nicht raus.

- Du darfst dein Haus nicht verlassen! Es ist schlecht! Mit dir kann alles mögliche dadraußen passieren! Stell dir vor du kehrst nicht zurück? Ich hätte keinen Arbeitgeber mehr, der mich bezahlt und das Haus würde zu Grunde gehen! Hab Angst davon!! Bleib hier!

Und so blieb der Musiker ängstlich, von Panik des Butlers ergriffen im Haus... Nur als er und der Butler schliefen, schlafwandelte er manchmal außer Haus, erinnerte sich aber nur selten oder nie daran, weil das Gefühl was schlechtes zu machen alle seine bewußten Erinnerungen daran auslöschten oder verdrängten.

Genau so lief es auch mit vielen anderen Tätigkeiten ab, die der Musiker so gerne machen wollte. Er dürfte nie essen was er wollte, keine Kleider anziehen die dem Butler nicht gefielen, selbst musizieren dürfte er nur noch das, was dem Geschmack des Butlers entsprach. Und eigentlich mochte der Butler überhaupt keine Musik... Langsam vergaß der Musiker, alles was er früher noch wußte und woran er glaubte. Er blieb kraftlos, müde und inspirationlos in seinem Zimmer neben seiner schweigender Geige gedankenverloren sitzen.

Schon bald stellte sich heraus, daß das Haus immer mehr dem Butler ähnelte. Der Musiker konnte nicht glauben, daß sein schönes, anfangs mit viel Musik und Licht gefülltes Haus immer düsterer wurde, die herschsüchtigen, eitlen Wesenheiten des Butlers wiederspiegelnd. Die Außenmauer des Hauses wurden natürlich vom Butler bevorzugt behandelt und ständig mit bunten Farben und zahlreichen Fresken verschönert und auch das Haus wurde immer größer, damit auch jeder der Nachbarsbutler sehen konnte, wie toll dieser neuer Butler das Haus im Griff hat und womöglich zum schönsten, größten und besten Haus der Stadt erklärt wird, was ihm großen Ruhm und Annerkennung unter den Butlern bringen würde. Die Innenräume wurden dagegend immer mehr vernachlässigt und verwahrlosten und verdreckten immer mehr, da der Butler dafür keine Zeit mehr hatte. Natürlich war der Butler so gerissen, um dem Musiker zu erlauben einige der Innenräume in Ordnung mit einwenig Licht und sehr leiser Musik zu halten, falls mal wer zu Besuch kommen würde und der Musiker nicht ganz zu Grunde ging. Denn ohne Musiker gab es kein Geld und keine Arbeit für den Buttler. Das war ihm klar. Er hat sogar gelernt über Musik zu sprechen, um für die Außenkontakte den Musiker zu repräsentieren, wobei ihm Musik absolut fremd und unverständlich war.

Uns so ging es immer weiter. Das Haus gehörte schon bald zu den TOP 100 Häuser der Stadt aber der Butler war extrem unzufrieden, weil eins der Nachbarhäuser in einer Farbe bemalt war, welche er in keinem Geschäft finden konnte und so hasste er und beneidete dieses Haus. Außerdem konnte er mittlerweile kaum schlafen, weil ihm die Sorgen den Schlaf raubten dafür z.B. daß ein Gewitter seine Farbe bleicher werden kann und er vielleicht nie TOP 1 erreichen wird, da das Haus bald zu alt dafür wird und den Kriterien bei der Auswahl nicht mehr entspricht. Er spürte auch innere Unruhe, den der Musiker verhielt sich immer rebellischer und wollte unbedingt musizieren.

Eines Nachts, wo der Buttler gepeinigt von Sorgen und Schlaflosigkeit im Bett zusammengebrochen war, für einen Augenblick völlig kraftlos und erschöpft, schlich der Musiker aus dem Haus... und erblickte erstaunt eine ganz andere Welt dadraußen, als ihm der Buttler die ganze Zeit eingeredet hat. Natürlich mußte der Musiker seine alten Erinnerungen erst nach und nach mit viel Mühe ins Gedächtnis rufen, aber der erste Schritt war getan.

Ab sofort führte es ein anderes, neues Leben. Es spielte jetzt dem Buttler einen hilflosen, gehörigen Musiker vor, in seinem inneren aber lachte er und amüsierte sich, weil ihm jeder der schwerfälligen Schritte des Butlers mittlerweile bewußt und vorherzusehen war. Der Musiker hat gelernt zu lachen, wurde stärker, beweglicher er wachte immer mehr aus seinem Tiefschlaf auf und übernahm immer öfter die Kontrolle über das Haus, denn er hat mitlerweile aus dem verborgenem sehr viel dazu gelernt und brauchte den Butler nicht mehr soviel, wie ganz am Anfang. Er nahm auch in Kauf, daß sein Haus bei den anderen Butlern nicht mehr beliebt wird und sein Haus nie mehr in der TOP-Liste erscheinen wird. Wozu auch? Sein Haus war ihm zwar wichtig, machte aber nicht mehr den Sinn seines Lebens aus. Alles was er wollte war spielen an der Geige und immer neue und großartigere Kompositionen zu entwerfen. Aber der Weg bis dahin war lang. Er mußte endlich verstehen, daß die Musik nicht bloß ein Paar schöne Töne sind, sondern alles umfassende Wirklichkeit mit allen ihren unendlichen Facetten, die alle erlebt, begriffen und integriert werden müssen. Er hat angefangen richtig spielen zu lernen...


Ich hoffe ich konnte das Ego und das Selbst einigermaßen klar durchleuchten...

Quelle: Eine kurze Geschichte