SCHUBLADE KLEMMT!
(Dietmar Dohmen, 2001)



Lautes Erwachen


Wie bereits im Vorwort kurz erwähnt, hatte ich meine ersten - bewußt erlebten - außerkörperlichen Erfahrungen 1996. An die erste OBE erinnere ich mich noch haargenau. Ich hatte mich damals früher hingelegt als sonst und war eigentlich noch gar nicht richtig müde. Ich war aber angenehm entspannt und um mich herum war alles ganz leise und dunkel. Dann kam wohl der entscheidende Beschluß: Ich beobachte mich jetzt selbst beim Einschlafen und schaue einfach mal, was dabei so passiert. Ich lausche in meinen Körper hinein.

Natürlich passierten dann genau die Dinge, die Ihr (hoffentlich) alle kennt: Starre, Bilder, Farben etc. Ich möchte darauf in einem anderen Kapitel noch detaillierter eingehen. Ganze Flächen aus Farben legten sich, wie in Zeitlupe, über mich, überzogen mich. Immer tiefer geriet ich in diesen Zustand.

Plötzlich denke ich: "Geh‘ lieber nochmal schnell ins Wohnzimmer und sieh nach, ob du die Kerzen auch ausgemacht hast". Also bin ich wieder aufgestanden, durch den Flur gegangen und ins Wohnzimmer. Nee, nee, Kerzen sind alle aus. Ich steh‘ da noch so einen Moment vor dem Fenster und frage mich, ob ich nicht noch irgend etwas vergessen habe. Ich schaue in alle Richtungen, um mich zu erinnern. Nichts. Vielleicht sonst noch Lampen angelassen? Ich schau‘ nach oben. Wieder nichts. Zum Schluß seh‘ ich zum Boden - UND - Schock!! Meine Füße sind gar nicht mit dem Boden verbunden. Wirklich ein Schock! Du bist tot, dachte ich zuerst, aber im gleichen Moment wurde ich mir auch meines, im Bett liegenden Körpers bewußt.

Und an ein weiteres Gefühl kann ich mich auch genau erinnern: An absolute Freiheit, Ruhe und Frieden. Und AUS; Ein Ruck und ich war wieder in meinem physischen Körper. Ich war sofort wach. Was für eine unvergleichliche Erfahrung! Wirklich mit fast nichts auf der Welt zu vergleichen. Gigantisch. Worte reichen dafür kaum aus. Und eins war mir auch sofort klar: Das versuchst du morgen wieder!


Sportliche Experimente


Am nächsten Abend legte ich mich etwa zur gleichen Zeit hin und sah mir wieder selbst beim Einschlafen zu. Und alles `funktionierte` wie am Tag zuvor. Farben, Bilder, Starre und feinstoffliche Schichten, die sich sanft über mich legten. Dann, Blackout, Schwärze, Leere. Plötzlich stehe ich wieder in meinem Wohnzimmer, allerdings in einer Wohnung, in der ich 5 Jahre zuvor gewohnt hatte. Und bei diesem 2. Austritt ging es schon wesentlich entspannter zu, aber mit gleicher Faszination. Ich konnte die Feinjustierung schätzungsweise 1 Minute halten und die Wohnung etwas genauer inspizieren. Schwebend und vollkommen bewußt!

Und so ging es jetzt Abend für Abend und etwa die Hälfte der Versuche war erfolgreich. Ich war echt glücklich über diese neue ‚Fähigkeit‘. Es wurde so etwas, wie eine Einschlaf-Freizeitbeschäftigung. Unbewußt und ganz ohne zu reflektieren, ordnete ich die `Sache` als Teilaspekt des Träumens ein. Kein Problem! Jahrelang!


Rien ne va plus...


Irgendwann 1999 gab’s dann doch die ersten Probleme: Tagelang keine brauchbaren Ergebnisse mehr. Ab und zu hat’s mal wieder geklappt, dann wochenlang gar nichts mehr. Und irgendwann war’s ganz aus.

Und jedesmal die gleichen Symptome. Die Starre erreichte ich mittlerweile innerhalb von 2 Minuten, die typischen visuellen Wahrnehmungen stellten sich weitere 2 Minuten später ein. Die feinstofflichen Schichten legten sich über mich. UND DANN - immer und immer wieder dasselbe: Der Herzschlag stieg sprunghaft an und damit verbunden, natürlich auch die Atemfrequenz. Als nächstes schaltete sich dann auch das normale Wach-Bewußtsein dazu und ich dachte jedesmal: "Was, zum Henker, treibst du hier eigentlich für ein seltsames Spielchen? Abend für Abend versuchst du deinen Körper zu verlassen?! Hast du noch alle Tassen im Schrank?"

Das war logischerweise dann immer das Ende für die eingeleitete OBE. Es war ein regelrechter Teufelskreis. Tagsüber erklärte ich mir, ruhig und sachlich, daß meine Nacht-Aktivitäten völlig in Ordnung sind und abends lege ich mich hin, fange entspannt an und -PENG- Ich stelle wieder alles in Frage und Aus!


Auf der Suche....


Dieser Kreislauf war für mich monatelang nicht zu durchbrechen. Grausam und frustrierend, weil, wer einmal `draußen` war, will das auch immer wieder. Genau wie bei einem Orgasmus, den man ja bekanntlich auch immer wieder erleben möchte. Ist zwar nicht das gleiche Gefühl, aber ähnlich überwältigend. Und wenn DAS dann plötzlich nicht mehr funktioniert, na ja, ich brauch’s Euch sicher nicht zu erklären.

Es ging also wirklich nichts mehr und ich war darüber todunglücklich. Fortan beschäftigte ich mich Tag und Nacht mit dieser Misere (was an sich schon ein Fehler war). Aber ich wollte `es` unter allen Umständen wieder haben. Koste es was es wolle! Und ich war bereit zu investieren. Nur was ? Zunächst mußte ich ja mal raus finden, worin das eigentliche Problem überhaupt lag. DAS war mir logischerweise nicht klar, denn ich wußte ja noch nicht mal, was ich da nachts überhaupt tat. Wonach sollte ich suchen?

Ich hab‘ jedenfalls während dieser Zeit wirklich alles gelesen, was auch nur im Entferntesten mit meinen Erlebnissen zu tun haben konnte. So hab‘ ich beispielsweise alle `SETH`-Bücher von Jane Roberts gelesen. Übrigens sehr empfehlenswert. Aber für mich damals nicht konkret genug. Das Internet hab‘ ich auf den Kopf gestellt, mit mäßigen Ergebnissen. Viel wirres Zeug hab‘ ich gefunden!


Leises Erwachen !


Es half alles nichts, ich mußte mich weiter alleine mit dem `undefinierten` Problem auseinandersetzen.

Eines Tages, während eines Spazierganges ertappte ich mich bei folgendem Gedankenspiel: "Hmm, laß uns nochmal alles durchgehen. Wenn du schläfst, dann ist das Schlaf. Und wenn du träumst, ist das natürlich ein Traum. Und wenn du wach wirst, ist es wieder Tag. Aber wenn du beim Einschlafen plötzlich `rausfliegst` und du dann auch noch machen kannst, WAS DU WILLST, was ist das dann ?? Eine andere Realität? Auch Traum? Schlaf? Und wenn es auch eine Realität ist, was bedeutet das? Kann ich dann auch OHNE meinen Körper leben? Bedeutet das dann vielleicht Ewiges Leben?

Und wenn diese 2. Realität tatsächlich existiert, stimmt dann noch alles in der 1. Realität? Stimmt dann noch, daß mein Leben genau zwischen Geburt und Tod stattzufinden hat, und daß es das dann war?

Reichen mir jetzt noch die Erklärungen, die ich während Erziehung, Schule, Ausbildung etc. bekommen habe? Und wie läßt sich das alles mit meinen nächtlichen Erlebnissen vereinbaren?"

Ich mußte meinen Spaziergang unterbrechen und mir wurde kalt und heiß! DAS war der Schlüssel. Es paßte einfach nichts mehr zusammen. Und vor allem konnte ich keine Schublade finden, in die ich meine OBEs hätte verstauen können. Und zwar so verstauen, daß die anderen Schubladen nicht aus dem Schrank herausfielen. Aber das war eben das Problem. Entweder ich schob die OBE-Schublade ins Regal und die anderen fielen alle raus, oder ich hatte die anderen schön einsortiert und die OBE-Schublade fiel mit lautem Krach zu Boden.

Das war also jetzt endlich geklärt. Mein Problem bestand eindeutig darin, daß ich keine Harmonie zwischen den beiden Realitäten herstellen konnte. Das ging eigentlich sogar so weit, daß die Existenz der einen Realität die andere ausschloß, aber so kann kein Mensch leben. Mein Problem war also lediglich eingekreist. Ich konnte es zwar benennen, aber eine Lösung schien mir noch in weiter Ferne.

Ich probierte weiterhin für meine OBEs irgend etwas `passendes` zu finden. Vielleicht eine kleinere Schublade, oder eine mit abgeschliffenen Kanten. Ich versuchte mit verschiedenen Definitionen meine Wanderungen doch noch zurecht zu biegen: Eventuell doch nur eine Variante des Traumes? Unbewußte Selbsthypnose? Ich beobachtete sogar meinen Atem während der Tiefenentspannung. Vielleicht atmete ich ja zu wenig, und daß die Erscheinungen dann möglicherweise die Folge eines akuten Sauerstoffmangels waren. Ehrlich gesagt, ich schloß die Möglichkeit einer leichten Geisteskranheit auch nicht mehr aus.

Dieser Sortierprozess zog sich auch wieder wochenlang hin, brachte mich aber keinen Millimeter weiter. Und dabei mußte ich noch achtgeben, daß aus dieser Kollision keine Konfrontation wurde, denn ich wollte mich unter keinen Umständen mit einer der beiden Realitäten zerstreiten. Mein Ziel war, mich mit beiden irgendwie zu verbünden.

Ich versuchte weiter die eine Seite mit den Hilfsmitteln der anderen zu erklären, oder nein, eigentlich versuchte ich wesentlich häufiger meine Nacht-Realität aus meinem festverriegelten Tag-Weltbild heraus zu definieren. Irgendwann hab‘ ich das endlich sein gelassen, weil es überhaupt nicht funktionierte. Denn immer, wenn ich an meine OBE-Erlebnisse dachte, bekam mein bisheriges `Zuhause` größere Risse. Allerdings - und das war mir völlig klar - würde es wohl auch nichts bringen, die beiden Realitäten einfach gegeneinander auszutauschen. Das wäre natürlich verantwortungslos gewesen, und wie ich glaube, auch nicht besonders gesund.

Als ich mich eines Tages wieder mal mit Wort- und Gedankenspielen beschäftigte, kam ich schließlich langsam aber sicher dahinter. Ich formulierte `gültige` Sätze. In etwa so: Ein Stein fällt immer nach unten, Wasser fließt nicht nach oben. Der Kölner Dom ist ein Gebäude und hören kann ich mit den Ohren. Ganz banale Dinge, EIGENTLICH. Aber im nächsten Moment dachte ich: "Das stimmt zwar, und es stimmt auch nicht." -UND DANN- fand ich (für mich) die eigentliche Lösung, denn die Formulierung hatte einen Fehler. Sie mußte nämlich lauten: "Das stimmt zwar, aber es kann auch ANDERS stimmen!" Nur so schließt das Eine das Andere nicht aus, denn ICH HABE Gegenstände nach oben fallen sehen und wenn ICH Lust dazu habe, mache ICH aus dem Kölner Dom eine Maus. Und hören kann ICH auch mit den Händen! ICH habe das selbst erlebt! Drüber besteht meinerseits Erfahrungsgewissheit. ICH weiß das. Keinerlei Zweifel.


Es kann auch anders stimmen !


JA ! Genau darum geht es, und es war die für mich einzig richtige Lösung. Bewußtseinstranszendenz und Durchlässigkeit sind die Schlüsselworte. Man kann es auch als Überblenden oder Durchscheinen bezeichnen. Es kann rein, ohne Wände haben zu müssen!

Es war also die ganze Zeit über vollkommen falsch, für die widerstreitenden Erfahrungen irgendwelche Schubladen zu suchen. Genau das Gegenteil war (und ist!) die Lösung. Leere schaffen und (Bewußtseins-)Offenheit. Die Schubladen ausräumen und das Ich offenhalten für alle Erfahrungen, ohne zu sortieren und ohne begrenzende Systematisierung. Auch wenn es sich sehr theoretisch anhört, es ist umsetzbar. Aber das ist nicht leicht. Für mich war es alles in allem überhaupt das schwierigste Problem, welches ich je zu lösen hatte. Die totale Durchlässigkeit habe natürlich bisher nicht erlangen können (ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das überhaupt jemand schaffen kann), aber ich habe mich auf den Weg dorthin gemacht, und das mit dem sicheren Gefühl zu wissen worum es dabei geht.

Ich schlage mich trotz allem Tag für Tag mit meinen persönlichen geschlossenen Systemen herum. Ich muß Sie laufend leeren, aufpassen sie nicht wieder voll zu stopfen und sie allenfalls ein wenig ineinander zu schieben.

Meine OBEs sind übrigens ganz schnell wieder aufgetaucht, aber auch mit meinen neuen Erkenntnissen sind nicht alle Versuche auch entsprechend erfolgreich. Aber jetzt weiß ich wenigstens, wie ich daran arbeiten kann. Ich weiß nämlich, wie ich Systeme behutsam `ent-schließen` kann. Ich sehe den Weg klar und deutlich vor mir liegen; Ihn auch zu gehen ist eine Herausforderung.


Nachwort


Natürlich ist mir klar, daß ich versucht habe meine persönlichen, geschlossenen Systeme mit Hilfe einer Formulierung aufzulösen. Und das ist scheinbar ein Widerspruch.

Meines Erachtens aber nur scheinbar, denn die Formulierung "Es kann auch anders stimmen" ist so gefaßt, daß sie in der Lage ist sehr viele, sich ausschließende Systeme zu harmonisieren und sie gleichzeitig bzw. transzendent gelten zu lassen.

Immerhin, ein erster Schritt in Richtung `Auflösung` und schließlich war/ist es MEIN Problem und mir hat’s geholfen. Schon der Versuch geschlossene Systeme aufzulösen erscheint mir überaus lohnenswert, weil nicht nur der OBE-Fähigkeit auf die Sprünge geholfen wird, sondern die Lebensqualität an sich davon profitiert.


Und noch ein Abstecher:


Die Formulierung enthält keine Negation. Eine Forderung aus dem Bereich der Autosuggestion. Hierbei haben negativ formulierte Sätze mitunter fatale Folgen! So darf man beispielsweise nicht suggerieren: "Nein, ich werde nicht krank!" - sondern es muß lauten: "Ja, ich werde gesund!" Oder, "ja, ich bleibe gesund!" Für das (Unter-) Bewußtsein gibt es hier sog. Schlüsselworte. In dem Fall sind es `krank` und `gesund`, die es versucht umzusetzen.

Und in meinem Fall mußte daher "Es kann auch anders stimmen" heißen.


Ganz zum Schluß:


Ich bin fest davon überzeugt, daß sich jeder ernsthafte OBEler irgendwann einmal mit dieser, oder einer ähnlichen Situation konfrontiert sehen wird, denn es geht m.E. um mehr, als eine coole Freizeitbelustigung. Zwangsläufig werden beide Realitäten in einen Wettstreit geraten und um die Gunst bzw. um den Vorzug des Bewußtseins buhlen.

Ihr werdet Euch den Zeitpunkt nicht aussuchen können, aber dann gilt es Weltbilder einzureißen, Schubladen zu leeren und das Bewußtsein weit offen zu halten!!


ES KANN AUCH ANDERS STIMMEN!




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